Du bist, wie du fühlst

Du bist, wie Du fühlst.

Warum wir sind, wie wir sind, das liegt am Leben selbst, an unserem individuellen Leben. Wir erben Veranlagungen, wir lernen von anderen und durch eigene Erfahrungen. Wir sind beeinflussbar und doch ganz eigen. Wir sind, wie wir sind. Und dabei gleicht kein Leben einem anderen.

Da wir so verschieden sind, sind auch unsere Gefühle verschieden. Und die machen schließlich aus, wie wir Dinge – und auch andere Menschen – annehmen oder ablehnen, bewerten. Entscheidend ist, dass wir unsere Gefühle wahrnehmen. Können wir dies nicht, dann geht es uns nicht gut. Depressive Menschen zum Beispiel fühlen nichts.

Wir sind nicht unsere Gefühle, aber wir haben unsere Gefühle. In guten wie in schlechten Zeiten: Wir sind nicht die Magersucht, wir haben eine Magersucht. Wir sind nicht die Grippe, wir haben eine Grippe. Wir sind nicht das Glück, aber wir platzen fast daran.

Da wir unsere Gefühle und unsere Gefühle uns geprägt haben, ist es so unendlich wichtig, dass wir sie – vorurteilsfrei – annehmen. Wir und auch unser Umfeld können beeinflussen, wie wir mit Gefühlen umgehen, aber wir können sie nicht direkt verändern. Gefühle sind keine Schalter, die man on oder off stellt. Gefühle sind da – aus gutem Grund. Sie sind entstanden in einem Moment und haben sich ab dann weiterentwickelt, mit uns.

Gefühle annehmen

Wenn jemand Angst vor Knöpfen hat (Koumpounophobie, Rang 12 der häufigsten Ängste), hilft ihm niemand, der sagt, diese Angst macht keinen Sinn. Es hilft nicht, wer spontan damit konfrontiert. Es helfen keine Argumente wie unsinnig, lächerlich oder dumm. Das Angstgefühl bleibt. Man kann üben, mit der Angst zu arbeiten, zu leben, sie zu minimieren oder sogar loszuwerden. Wir können eventuell ihre Ursache aufdecken. Aber ganz zu Beginn ist sie einfach da. Und wenn man Angst hat, hilft zuallererst jemand, der einen beruhigt, annimmt, ernst nimmt.
Man muss nicht genauso fühlen, man muss die Gefühle nicht einmal nachvollziehen können, aber es ist wichtig, gesehen und akzeptiert zu werden. Das müssen wir für uns selbst lernen, da auch wir nicht alle unsere Gefühle toll finden, aber vor allem sollten wir uns nur mit Menschen umgeben, die uns und unsere Gefühle vorurteilsfrei annehmen. Denn eins ist ganz klar: Wessen Gefühle häufig angezweifelt werden, der zweifelt sich irgendwann selbst an.

Ein Beispiel…

Einige kleine Kinder ekeln sich vor nassem Sand. Viele Eltern halten den Kindern diesen Sand dann sehr nah vor, um zu zeigen, dass er gar nicht schlimm ist, nicht gefährlich, sondern harmlos und irgendwann wieder trocken. Dann fallen Sätze wie „Schau doch mal, ich spiele doch auch damit.“ oder „Was soll denn das? Dann wäschst du dir nach dem Spielen halt die Hände.“. Macht alles Sinn, aber die Angst des kleinen Kindes ist nicht die Angst seiner Eltern. Und die Angst hat nicht immer eine Logik.
Wäre es nicht schöner, das kleine Kind zu fragen, was genau es fühlt, wo die Angst sitzt, warum sie da ist, was dieser Angst helfen könnte, dass sie kleiner wird? Das Wegdrücken von Gefühlen wird in unserer Gesellschaft viel zu oft praktiziert. Dabei kann man Gefühle zwar wegdrücken, aber sie sind dadurch nicht wirklich weg, sie sind nur versteckt. Und da lauern sie und verändern sich, wandeln sich zum Beispiel in körperliche Symptome.

…und noch eins:

Ein aufstrebender, folgsamer Teenager auf dem Weg zu seinem Top-Abitur verliebt sich in die wilde Rebellin, die schon mehrfach von der Schule flog. Wer als Eltern diese Situation miterlebt, ist meist nicht amüsiert. Da herrschen die Sorgen vor ob des negativen Einflusses, die Sorgen über die Zukunft des Sprösslings. Der „zuvor immer Funktionierende“ wird meist sehr schnell hinterfragt. Ist das fair? Macht es Sinn mit logischen Argumenten zu kommen, wenn die Gefühle übermächtig sind? Nein! Dann hilft nur über dieses Gefühl (und die eigenen Gefühle) zu sprechen und zu fragen, was dieses Gefühl mit ihm macht.
Der kluge Junge ist nicht dumm geworden oder blind vor Liebe, die sachlichen Argumente weiß er wohl selbst. Aber er hat vielleicht (erstmals) erfahren, dass es mehr gibt im Leben als funktionieren, dass ihm etwas fehlt zum Glück. Wäre es nicht schön als Eltern, daran teilhaben zu dürfen, an dieser Suche nach dem Sinn im Leben und wie man es auf welche – von mir aus vernünftige – Weise erreichen kann? Anstatt also Vorwürfe und Selbstzweifel zu säen und ggf. das Risiko einer depressiven Episode auszulösen, bleibt man besser im Team.

Foto: pixabay.de

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