Man möge mir den Glücklichen zeigen, der noch nie an diesen Typ Mensch geraten ist: den, der sich nicht entschuldigen kann.
Wir alle wissen, dass, wer sich nicht entschuldigen kann, ein schwacher Mensch ist. Aber dennoch schmerzt es, denn manchmal wäre eine Entschuldigung einfach nur fair. Was also ist mit diesen Menschen, die ein „Es tut mir leid.“ nicht über die Lippen bringen? Was ist mit denen los? Was ist denn da schief gegangen?
Bei den Nicht-Entschuldigern ist die eigene Unsicherheit so groß, dass eine kleine Zugabe der eigenen Fehlbarkeit das bisschen Rest-Sicherheit zum Einsturz bringen würde. Der (angeborene) Grundtyp ist bereits unsicher, eher pessimistisch. Meist kommen dann Erfahrungen hinzu, die das Vertrauen in die eigene Person, aber auch in andere, gar nicht erst entstehen lassen.
Das Gespür für einen eigenen (positiven) Selbstwert fehlt. Da die negativen Erlebnisse aufgrund der Grundstruktur stärker gesehen werden, wird dem alles Erlebte bestätigend zugeordnet. Das Eigenbild wird ebenso negativ aufgebaut. Positive Aussagen oder Handlungen anderer können nicht angenommen werden, da sie unvereinbar mit dem eigenen Denken über sich selbst erscheinen. Bei Komplimenten fühlt sich dieser Typus daher „veralbert“. Er denkt eh häufig, man macht sich über ihn lustig. Da er so viel um sich selbst kreiselt, wirkt er nahezu egoistisch. Er steht im Zentrum des Elends der Welt. Alle wollen ihm nur böse. Blicke anderer sind stets abwertend auf ihn gerichtet. Wer das Gegenteil behauptet, der lügt. Es gibt nur die eigene (negative) Wahrheit.
Und die guten Dinge im Leben?
Positive Erlebnisse lassen diesen Typus kurzfristig sehr intensiv hoch-leben, er wird bis zu manisch. Aber das (normale) Ende eines positiven Erlebnisses wird wieder als Bestätigung für „die Welt ist ja doch schlecht“ genommen. Er gibt vor, anspruchslos zu sein. Aber das Glück sehen in den kleinen Dingen, das ist ihm nicht möglich.
Um diesem dauernegativen Horror zu entfliehen, wird auch die restliche Welt mit in den eigenen Sumpf gezogen. Alle anderen wollen diesem Typus aus seiner Sicht nur negativ. Eine andere Lösung ist nicht denkbar. Auch scheinbar positive Handlungen oder Aussagen sind nur eine Farce, denn der andere wird früher oder später sein wahres (böses) Gesicht zeigen. Gutes gibt es nicht! Dieser Typus ist nicht nur radikal in seinen Ansichten, sondern auch radikal in der Überzeugung des eigenen Rechts. Er selbst „weiß“ aus seiner Lebenserfahrung, dass er immer „der Arme“ ist. Eine andere Wahrheit wird nicht akzeptiert.
Das Dilemma
Würde der Nicht-Entschuldiger einmal akzeptieren, dass es doch die Möglichkeit einer guten Sache für ihn gäbe, dann müsste er das über Jahre aufgebaute künstliche Konstrukt an Pseudo-Überzeugungen in Frage stellen. Wenn er das eine Mal nicht Recht hat, hatte er dann auch früher schon Unrecht? Hätte er anders leben können? Hätte es doch etwas Gutes für ihn geben können? War er – ACHTUNG – gar selber Schuld oder zumindest Mit-Schuld?
Ja, das war er! Aber, weil er leider nicht anders konnte.
Dieser Typus denkt hart und handelt manchmal grausam. Er ist – wie wir alle – auch mal im Unrecht. Aber lieber wird dem Gegenüber etwas Falsches unterstellt, wird eine Story erfunden, wird die Wahrheit verleugnet. Alles lieber, als in den eigenen Abgrund zu schauen. Für das Gegenüber ist das furchtbar. Auch hier entstehen Selbstzweifel, Unsicherheiten und – wenn ein dauerhafter Kontakt besteht – Verzweiflung und Wut. Denn er spürt, dass es mehr ist als eine Meinungsverschiedenheit, mehr ist als eine andere Ansicht. Nein, es ist das komplette Verleugnen manch einer Wahrheit, das Nicht-Sehen dessen, was das Gegenüber alles tut. Jegliches Bemühen wird negiert.
Bei allem Verständnis wünscht sich ein Gegenüber aber auch einmal Gerechtigkeit. Das Anerkennen des eigenen Bemühens, sei es um die Freundschaft zum Nicht-Entschuldiger, sei es die Annahme ernst gemeinter netter Worte. Aber nie reicht es aus, nie kann es ausreichen. Letztendlich hat man „die Worte ja eh nicht so gemeint“, die „Taten waren nicht wahr“ oder „Angebote wurden nie unterbreitet“. Man erhält keinen Dank für seine Mühen. Im Gegenteil, die eigenen Worte werden verdreht, Bemühungen geleugnet. Und das Gegenüber steht hilflos da.
Für beide Seiten traurig
Der Nicht-Entschuldiger ist kein Mensch, dem man es auf den ersten Blick ansieht. Meist ist er optisch sogar überdurchschnittlich gutaussehend, intelligent, hat einen Job und eine Wohnung. Beziehungen jedoch sind schwierig, sei es in der Liebe oder der Freundschaft. Dieses Abgelehnt- und Nichtgesehen-Werden ist für andere genauso wenig erträglich wie das gefühlt dauerhaft Negative für diesen Typus selbst.
Helfen kann man weder als Partner noch als Freund/Familie. Abstand halten ist da gesünder für die eigene Seele. Dieser Typus bedarf professioneller Hilfe. Ob er sie annimmt und umsetzt, das ist nicht garantiert.