Hochsensibel – Fluch oder Segen?

Hochsensibel. Mainz | Gonsenheim

Fakt ist, wer hochsensibel ist, nimmt Sinnesreize intensiver wahr und verarbeitet sie tiefer. Man kann sich das so vorstellen, als ob der Filter, der zwischen wichtig und unwichtig unterscheidet, fehlt oder zumindest verdammt große Löcher hat. Kann ja mal vorkommen!

Fakt ist auch, dass es Hochsensibilität sowohl bei Introvertierten als auch bei Extrovertierten gibt. Spontan entspricht der Introvertierte eher dem Bild eines typisch Hochsensiblen, halt einem Menschen, der empfindsam ist, dem aber auch alles schnell zu viel wird. Im positivsten Sinne eine Künstlernatur. Hochsensibel und extrovertiert ist eine ganz spezielle Mischung. Der extrovertierte Hochsensible braucht – wie alle Extrovertierten – die „große Party“, also Stimmung, Menschen, Lebendigkeit, Aktion pur. Er genießt das Miteinander und parallel baut sich eine Erschöpfung auf über die vielen Eindrücke und Emotionen anderer, die es zu verarbeiten gibt. Ganz speziell…ganz ich.

Ein Segen?

Sicher ist die Hochsensibilität ein Segen, man hat gewisse, häufig zahlreiche überdurchschnittliche „Begabungen“. Sei es im Sensitiven, d.h. bei den klassischen Sinneswahrnehmungen wie Fühlen, Sehen, Hören, Riechen, Schmecken. Das kann deutlich intensiver und detaillierter sein, ja, nahezu schrill. Oft zeigt sich die Hochsensibilität auch im zwischenmenschlichen Bereich über eine stark ausgeprägte Empathie, einer intuitiven Wahrnehmung der wahren Beweggründe hinter dem gesprochenen Wort. Nicht zu vergessen der kognitive Bereich, einer sozusagen automatischen Logik, die ratzfatz diverse Lösungsansätze und auch mögliche Stolpersteine aufzeigt.

Weil alles so bunt daherkommt, ist der Hochsensible meist sehr begeisterungsfähig und vielseitig interessiert. Dabei ist er sich stets seiner Verantwortung bewusst. Ob Umwelt, hungernde Kinder oder drohende Katastrophen, der Hochsensible fühlt seine Mit-Schuld. Deshalb ist er engagiert, hilfsbereit und gewissenhaft. Was für ein Segen!

Oder doch ein Fluch?

Hochsensibel sein, heißt, es immer sein – und das ist anstrengend. Als Kind fühlt man einfach nur eins – man ist anders. Und welches Kind will das schon sein? Man ist dauernd emotional berührt, von Kunst und Musik, von Gesprächen…guten und schlechten. Alles hallt nach! Man ist abhängig von der Stimmung anderer Menschen, bis man gelernt hat, dass man „nur“ die Stimmung der anderen mitfühlt und diese Gefühle nicht die eigenen sind. Oft vergehen Jahre bis dahin! 

Man denkt anders, da mehr reinkommt in den eigenen Kopf. So bietet man oft ungewöhnliche Lösungsansätze oder zu viele auf einmal. Schade, das findet nicht jeder Chef klasse, sondern viele sind überfordert oder fühlen sich bedroht. 

Da man Negativ-Reaktionen unausgesprochen spürt (und schlimmstenfalls auf sich bezieht), ist man häufiger verletzt. Man wird kritischer mit sich und perfektionistisch. Überhaupt bleibt der Hochsensible oft auf der eigenen Strecke. Denn er ist in seinem eigenen Repertoire nur eine Person und rundherum sind so viele, die er mitfühlt. Daher so ein starker Wunsch nach Unabhängigkeit!

Mein Fazit

Man muss lernen, sich selbst zu erkennen und zu fühlen, wo man endet und der andere beginnt. Dann kann man sich notfalls Zwangspausen auferlegen. Für sich und gegen den drohenden Burn-Out.Den Satz, den ich in meinem Leben am häufigsten gehört habe, ist: „Schaff dir halt ein dickeres Fell an!“ Das ist so ein Unsinn! Ich wurde ohne Fell geboren. Aber das ist okay, denn ich kann mittlerweile verdammt dicke Pullis stricken!

Hochsensibel – Fluch oder Segen?
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